Wohnungseigentümer: Einbau eines vorgesehenen Fensters ist keine bauliche Veränderung
Als Wohnungseigentümer nehmen Sie keine genehmigungspflichtige bauliche Veränderung gemäß § 22 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) vor, wenn eine Maßnahme ordnungsgemäßer Instandhaltung bzw. Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG vorliegt. Instandsetzung wäre auch, wenn Sie erstmalig als Wohnungseigentümer einen ordnungsgemäßen Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums herstellen. Dies stellte das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf im Juli 2016 klar. Ein Beseitigungsanspruch einer Eigentümergemeinschaft ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zudem dann ausgeschlossen, wenn Sie eine Veränderung zwar ohne einen entsprechenden Genehmigungsbeschluss vorgenommen haben, aber zu Ihren Gunsten ein Anspruch auf Genehmigung besteht.
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Eine Wohnungseigentümergemeinschaft hatte einen Wohnungseigentümer auf Beseitigung eines von ihm eingebauten Fensters und Schließung des Mauerdurchbruchs verklagt. In der Teilungserklärung wurde jedoch auf eine als Anlage zur Teilungserklärung beigefügte Baubeschreibung nebst Anlagen verwiesen. In dem beigefügten Aufteilungsplan war für das Wohnzimmer der Wohnung des verklagten Wohnungseigentümers ein Fenster weiteres eingezeichnet. Im Sommer 2014 ließ der Wohnungseigentümer in Außenfassade des Hauses erstmals dieses Wohnzimmerfenster samt Sohlbank und Fenstergitter einbauen. Ein Genehmigungsbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft hierzu lag nicht vor. Der Wohnungseigentümer hatte auch zuvor die Hausverwaltung über den geplanten Einbau informiert. Das Fenster befand sich aber nicht exakt an der gleichen Stelle, wie in den Anlagen zu Teilungserklärung vorgesehen. Im September 2014 fand eine Eigentümerversammlung statt, auf der zum Tagesordnungspunkt der Beschluss gefasst wurde, dass das neu erstellte Fenster inklusive der Sohlbank des Gitters zurückgebaut werden sollte. Dies sollte von der Verwaltung, wenn nötig, auch gerichtlich durchgesetzt werden. Der betroffene Wohnungseigentümer weigerte sich jedoch. Er war nicht der Ansicht, dass der eigenmächtige Einbau des Fensters samt Sohlbank eine bauliche Veränderung darstellt, welche die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigte. Er könne den Einbau eines Fensters zudem als erstmalige ordnungsgemäße Herstellung verlangen. Die Eigentümergemeinschaft hingegen berief sich auf Verjährung.
Das AG Hamburg-Bergedorf entschied den Rechtsstreit zu Gunsten des anfechtenden Wohnungseigentümers. Denn ein entsprechender Anspruch der Eigentümergemeinschaft hätte jedenfalls eine rechtswidrige Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft bzw. eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums vorausgesetzt, welche für andere Wohnungseigentümer Nachteile mit sich bringen müsste. Der eigenständige und ohne Genehmigungsbeschluss der Eigentümergemeinschaft erfolgte Einbau des Fensters durch den einzelnen Wohnungseigentümer stellte aber keine solche Beeinträchtigung bzw. bauliche Veränderung dar. Vielmehr war die Eigentümergemeinschaft ihrerseits zur Duldung des Fenstereinbaus verpflichtet.
Instandhaltung und Instandsetzung ist keine bauliche Veränderung
Grundsätzlich bedarf die bauliche Veränderung einer Außenfassade, beispielsweise durch den Einbau eines Fensters, zwar der Zustimmung der betroffenen Wohnungseigentümer und einer Beschlussfassung durch die Gemeinschaft. Eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG liegt aber nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht vor, wenn es sich bei der Maßnahme um eine ordnungsgemäße Instandhaltung bzw. Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums handelt. Instandsetzung in diesem Sinne ist auch die erstmalige Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des gemeinschaftlichen Eigentums. Jeder Wohnungseigentümer kann in einem solchen Fall von den übrigen Wohnungseigentümern bzw. der Gemeinschaft gemäß §§ 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG die Mitwirkung bei der Herstellung des erstmaligen ordnungsmäßigen Zustands der Wohnanlage verlangen.
Und was unter dem erstmaligen ordnungsgemäßen Zustand zu verstehen ist, ergibt sich in erster Linie aus der Teilungserklärung und den beigefügten Anlagen, die das Wohnungseigentum näher beschreiben. Im entschiedenen Rechtsstreit ergab sich aus der Baubeschreibung sowie dem Aufteilungsplan, dass für die Eigentumswohnung des Wohnungseigentümers im Wohnzimmer von vornherein ein weiteres Fenster vorgesehen war. Dementsprechend hatte der Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft einen Anspruch auf Herstellung des ordnungsgemäßen Zustandes durch Einbau des Fensters gemäß §§ 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG.
Der Beseitigungsanspruch der Eigentümergemeinschaft war aus diesem Grund gemäß § 242 BGB ausgeschlossen. Der Beschluss, welcher dem Wohnungseigentümer den Rückbau aufgab, war deshalb nichtig. Auch der Umstand, dass sich das Fenster nicht exakt an der Stelle befand, an der es ausweislich der Anlagen zur Teilungserklärung vorgesehen war, begründete keinen Beseitigungsanspruch. Denn der Wohnungseigentümer hatte zunächst eine Genehmigung des Bauamtes eingeholt und die Hausverwaltung über sein Vorhaben in Kenntnis gesetzt.
Anspruch auf erstmalige Herstellung verjährt nicht
Der Anspruch des Wohnungseigentümers unterlag zudem nicht der Verjährung. Denn der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf ordnungsgemäße Verwaltung gemäß § 21 Abs. 4 WEG und erstmalige Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes verjährt nicht (AG Hamburg-Bergedorf, Urteil v. 07.07.16, Az. 407a C 5/15).
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