Psychotherapeutische Praxis darf der Mieter nicht in der Wohnung betrieben
Kennen Sie das auch aus Ihrer Wohnungseigentumsanlage? Auf einmal hängt ein Klingelschild mit der Aufschrift “Praxis” an der Tür und Patienten oder Klienten gehen dort munter ein und aus. Sie fragen sich verständlicherweise, ob das zulässig ist. Nach einer Entscheidung des LG Frankfurt/Main ist die Nutzung einer Wohnung als psychotherapeutische Praxis dann unzulässig, wenn die Teilungserklärung nur eine Wohnnutzung vorsieht (Urteil v. 15.03.18, Az. 2-13 S 36/17).
Wohnung wurde zum Therapieraum umfunktioniert
Im entschiedenen Fall ging es um eine aus 6 Wohnungen bestehende Wohnungseigentumsanlage. Ausweislich der Teilungserklärung sollen die Wohnungen der Wohnnutzung dienen. Aufgrund eines rechtskräftigen Urteils nutzen die Eigentümer bereits eine dieser Wohnung als Praxis. Das zuständige Amtsgericht hatte seinerzeit die Nutzung dieser Praxis erlaubt, weil von ihr keine höheren Störungen ausgehen als bei einer typischen Wohnnutzung. Nun haben die Eigentümer die Praxis auf eine Erdgeschosswohnung erweitert und führen dort Therapien durch. Hiergegen wendet sich die Bewohnerin der anderen Erdgeschosswohnung mit ihrer Klage.
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Nutzung als Praxis stört mehr als Wohnnutzung
Das Landgericht gab der klagenden Eigentümerin Recht, die beklagten Eigentümer mussten die Nutzung der Wohnung als psychotherapeutische Praxis unterlassen. Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Nutzung der Wohnung als Praxis der Zweckbestimmung in der Teilungserklärung widerspricht.
Eine solche zweckwidrige Nutzung begründet allerdings erst dann einen Unterlassungsanspruch, wenn die zweckwidrige Nutzung mehr stört als der zweckbestimmungsgemäße Gebrauch. Hierbei kommt es nicht auf eine tatsächliche Störung an. Vielmehr ist entscheidend, ob die typischen Beeinträchtigungen der zweckbestimmungswidrigen Nutzung als Praxis nach den örtlichen Verhältnissen und dem Charakter der Anlage über die typischen Beeinträchtigungen einer Wohnnutzung hinausgehen. Bei dieser Prüfung war die Tatsache, dass bereits eine Wohnung als Praxis genutzt wurde, nicht zu berücksichtigen, denn diese Nutzung störte ja ausweisliche des rechtskräftigen Urteils nicht mehr als eine Wohnnutzung.
Das Gericht entschied: Die Nutzung der Wohnung als Praxis führte zu einer größeren Störung als die reine Wohnnutzung. In einer Wohnung halten sich nämlich nur deren Bewohner auf und bekommen gelegentlich Besuch. Bei einer Nutzung als Praxis kommt es dagegen zumindest an mehreren Tagen in der Woche zu mehrfachen Besuchen. Hierdurch kommt es zu einer erheblicheren Nutzung des Gemeinschaftseigentums. Ob es durch die Besucher tatsächlich zu Störungen kommt, spielt – wie gesagt – keine Rolle.
Von wesentlicher Bedeutung war nach Ansicht des Gerichts die Tatsache, dass es sich um eine kleine Wohnanlage mit 6 Wohnungen handelte. Bei einer so kleinen Wohnanlage fällt bereits ein geringes Besucheraufkommen am Tag mehr ins Gewicht als in einem großen Wohnhaus mit 100 Wohnungen. Denn dort ist ohnehin mit einem derartigen Besucheraufkommen zu rechnen, bei einem kleinen Mehrfamilienhaus dagegen nicht.
Das bedeutet das Urteil für Sie: Nutzt ein Eigentümer seine Wohnung als Arbeitsstätte, obwohl Ihre Teilungserklärung eine Wohnnutzung vorsieht, ist das eine zweckwidrige Nutzung. Sie können aber nur dann das Unterlassen der zweckwidrigen Nutzung verlangen, wenn diese mehr Beeinträchtigungen mit sich bringt, als eine Wohnnutzung. Prüfen Sie welches Besucheraufkommen, und welche Störungen die zweckwidrige Nutzung normalerweise mit sich bringt. Ist das mehr als bei einer üblichen Wohnnutzung, werden Sie mit Ihrem Unterlassungsanspruch erfolgreich sein.
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