Geltendmachung eines Beseitigungsanspruchs kann Gemeinschaft an sich ziehen
Ist das in Ihrer Eigentümergemeinschaft vielleicht auch schon vorgekommen? Ein Eigentümer Ihrer Gemeinschaft hat einfach eine bauliche Maßnahme vorgenommen obwohl eine Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung gar nicht oder sogar abschlägig erfolgt ist. Plötzlich steht ein großes Gartenhaus mitten im Garten, ein Balkon befindet sich an der Hauswand oder der Stellplatz wird auf einmal durch einen Carport überdacht. Kein Wunder, dass Sie dagegen etwas unternehmen möchten. Zum einen stört Sie die neu errichtete Anlage und zum anderen kann ja in Ihrer Gemeinschaft nicht jeder machen, was er will. Grundsätzlich sind Sie auch als einzelner Eigentümer berechtigt, gegen unerlaubt errichtete bauliche Maßnahmen im Klageweg vorzugehen. Das ist allerdings nicht mehr möglich, wenn Ihre Gemeinschaft dieses Recht durch eine entsprechende Beschlussfassung vergemeinschaftet hat (LG Berlin, Urteil v. 27.10.17, Az. 55 S 218/16).
Beschluss: Rechtsanwalt sollte Rückbauanspruch prüfen
Im entschiedenen Fall hatte eine Wohnungseigentümerin einen Balkon an ihrer Wohnung errichtet. Einen gemeinschaftlichen Beschluss hierzu existierte nicht. Auf einer Eigentümerversammlung im November 2014 fasste die Gemeinschaft den mehrheitlichen Beschluss, den Verwalter zu beauftragen, durch einen Anwalt prüfen zu lassen, ob der Balkon gegen die Regelungen der Teilungserklärung und des Wohnungseigentumsgesetzes verstößt. Ggf. sollte der Rechtsanwalt eine Klage auf Rückbau gegen die Wohnungseigentümerin einleiten. Die Kosten des Rechtsstreits sollten aus der Sonderumlage für Rechtstreitkosten entnommen werden.
Doch dem Eigentümer, der sich durch den Balkon gestört fühlte, ging das alles nicht schnell genug. Er erhob daher gegen die Eigentümerin Klage auf Rückbau des Balkons.
Vergemeinschaftung entzieht dem Eigentümer die Klagebefugnis
Der klagende Eigentümer verlor den Prozess, er konnte die Beseitigung des Balkons nicht verlangen. Denn da die Gemeinschaft den Beseitigungsanspruch durch die Beschlussfassung an sich gezogen hatte, war er nicht mehr zur Klageerhebung befugt.
Ab dem Zeitpunkt der Vergemeinschaftung, also der Beschlussfassung auf der Eigentümerversammlung, ist die Gemeinschaft aus eigenem Recht befugt, über Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer zu verfügen. Durch die Beschlussfassung hat die Gemeinschaft die Geltendmachung der Ansprüche an sich gezogen und die Angelegenheit damit zu einer Sache der gemeinsamen Verwaltung gemacht. Die individuelle Rechtsverfolgungskompetenz des einzelnen Eigentümers ist damit ausgeschlossen. Da die Gemeinschaft nun mit eigenem Namen klagen kann, ist der einzelne Eigentümer nicht mehr prozessführungsbefugt. Die Vergemeinschaftung ist nach Ansicht des Gerichts bereits mit dem Beschluss über die Beauftragung des Rechtsanwalts eingetreten, da die Gemeinschaft geklärt wissen wollte, welche Rechte ihr zustehen.
Das bedeutet das Urteil für Sie: Auch wenn das Urteil älteren Datums ist, ist es brandaktuell für Sie. Denn immer wieder kommt es vor, dass Wohnungseigentümer eigenmächtig bauliche Maßnahmen vornehmen und sich andere Mitglieder aus der Eigentümergemeinschaft darüber ärgern. Zwar ist anerkannt ist, dass die Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung einer Störung wegen einer unzulässigen baulichen Veränderung zu den klassischen Individualansprüchen eines Wohnungseigentümers zählen. Das heißt aber nicht, dass das so bleiben muss. Sobald die Eigentümergemeinschaft die Angelegenheit durch entsprechende Beschlussfassung an sich gezogen hat, verlieren Sie Ihre Befugnis zu klagen. Bleiben Sie daher in engem Kontakt mit Ihrer Gemeinschaft und erkundigen sich unbedingt, ob eine entsprechende Beschlussfassung stattgefunden hat, bevor Sie Klage erheben. Anderenfalls verlieren Sie den Prozess.
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