BGH: Wann ein Rückbauverlangen gegen Treu und Glauben verstößt
Wie Ihnen sicher bekannt ist, benötigen Sie für eine bauliche Veränderung die Zustimmung aller durch sie nachteilig beeinträchtigten Wohnungseigentümer. In der Praxis gehen viele Wohnungseigentümer hierbei folgendermaßen vor: Sie treten in Kontakt mit den betroffenen Eigentümern, erklären ihnen Art und Umfang der geplanten baulichen Veränderung und lassen sich die erforderliche Zustimmung geben. Doch was ist, wenn es sich ein Wohnungseigentümer dann anders überlegt und später doch noch den Rückbau verlangt? Das geht nicht, hat der BGH entschieden, ein solches Rückbauverlangen verstößt gegen Treu und Glauben (Urteil v. 06.07.18, V ZR 221/17).
Miteigentümer zog seine “Nein”-Stimme später zurück
Im entschiedenen Fall hatte ein Verwalter ein Umlaufbeschlussverfahren in Gang gesetzt. In diesem bat er die Eigentümer zu der schriftlichen Zustimmung zu einer von einem Wohnungseigentümer geplanten baulichen Veränderung. Abgesehen von einem Eigentümer, der mit “Nein” stimmte, erteilten alle die gewünschte Zustimmung. Der Eigentümer, der mit “Nein” gestimmt hatte, zog seine “Nein”-Stimme allerdings später wieder zurück. Der Verwalter teilte daraufhin den Eigentümern mit, dass er den Beschluss für zustande gekommen ansehe, wenn nicht innerhalb einer bestimmten Frist widersprochen werden. Da kein Widerspruch erhoben wurde, führte der Wohnungseigentümer seine bauliche Veränderung durch. Die anderen Eigentümer verlangen nun den Rückbau der baulichen Veränderung.
Zunächst erteilte Zustimmung schaffte einen Vertrauenstatbestand
Die Eigentümer können den Rückbau nach dem BGH nicht verlangen. Nach Ansicht des BGH verstößt die Klage auf Rückbau unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens gegen Treu und Glauben. Auch wenn keine den formellen Anforderungen genügender Zustimmung vorlag, so haben doch alle Eigentümer ihre Zustimmung erteilt. Außerdem haben sie durch das Unterlassen des Widerspruchs einen Vertrauenstatbestand zugunsten des betroffenen Wohnungseigentümers geschaffen. Dieser steht dem Rückbauverlangen entgegen.
Was das Urteil für Sie bedeutet: In vielen Eigentümergemeinschaften wird die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung nicht im förmlichen Beschlussverfahren erteilt. Jetzt wissen Sie aber, dass auch eine formlos erteilte Zustimmung, wie es hier durch den späteren Widerruf der “Nein”-Stimme erfolgte, ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird. Haben also alle Eigentümer ihre Zustimmung zu einer baulichen Veränderung erteilt, können sie später nicht einfach deren Rückbau verlangen. Bedenken Sie aber dennoch: Eine formlos erteilte Zustimmung vermag nur den Eigentümer zu binden, der sie erteilt hat. Veräußert er sein Wohnungseigentum, ist der neue Eigentümer an eine formlose Zustimmung des Voreigentümers nicht mehr gebunden. Eine formlos erteilte Zustimmung ist daher im Fall einer Veräußerung wertlos. Daher bestehen Sie in Ihrem eigenen Interesse bei Ihrer baulichen Veränderung auf eine Zustimmung im Wege des Beschlussverfahrens. Diese bindet nämlich auch die Rechtsnachfolger der aktuellen Eigentümer.
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