Vorläufig vollstreckbares Räumungsurteil: Eigenbedarf ist kein ausreichender Grund für eine Zwangsräumung
Wird von einem Vermieter die Zwangsräumung eines Mieters beantragt, ist das Bestandsinteresse des Mieters gegen das Räumungsinteresse des Vermieters abzuwägen. Ein vertragstreuer Mieter kann nicht lediglich auf Grundlage einer wirksamen Eigenbedarfskündigung zwangsgeräumt werden, wenn das Räumungsurteil noch nicht rechtskräftig ist. Denn dann ist das Vollstreckungsinteresse des Vermieters zurzeit lediglich vorläufig. Dies stellte das Landgericht Berlin im August 2019 klar.
Der Fall
Ein Vermieter hatte seinem Mieter wegen Eigenbedarf gekündigt. Da der Mieter die Kündigung nicht akzeptierte und nicht freiwillig auszog, reichte der Vermieter erfolgreich eine Räumungsklage ein. Obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig war und der Mieter Berufung einlegte, wollte der Vermieter aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil vollstrecken. Der Mieter beantragte Aussetzung der beantragten Zwangsräumung.
Die Entscheidung des Gerichts
Das LG Berlin entschied zu Gunsten des Mieters, dass eine Zwangsräumung zurzeit nicht zuzulassen war. Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Berufung eingelegt, so kann das Berufungsgericht auf Antrag des Mieters anordnen, dass die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt wird. Im Rahmen der Entscheidung über den Einstellungsantrag sind die widerstreitenden Interessen von Mieter und Vermieter gegeneinander abzuwägen.
Das Bundesverfassungsgericht wertet das Besitzrecht eines Mieters an seiner Mietwohnung als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Eigentumsgarantie schützt also nicht nur den Vermieter, sondern auch einen vertragstreuen Mieter. Ein Eigenbedarf geltend machender Vermieter hat zwar grundsätzlich einen Anspruch darauf, die in seinem Eigentum stehende Mietwohnung selbst oder durch privilegierte Angehörige zu nutzen. Der betroffene vertragstreue Mieter kann jedoch beanspruchen, dass sein Bestandsinteresse beachtet wird, so lange kein rechtskräftiges und nur vorläufig vollstreckbares Räumungsurteil vorliegt. Dann dürfen zu Lasten eines betroffenen Mieters keine vollendeten Tatsachen durch Verlust der Mietwohnung geschaffen werden (LG Berlin, Beschluss v. 15.08.19, Az. 65 S 159/19).
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