„Kalte Räumung“ wird teuer – Schadensersatz und Schmerzensgeld!
Wenn ein Vermieter mittels einer sog. “kalten Räumung” eigenmächtig eine Mietwohnung gegen den Willen seines Mieters in Besitz nimmt, übt er eine verbotene Selbsthilfe aus. Der Vermieter ist dann dem Mieter zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Nach einer solchen Räumung geht die Beweislast für die vorhandenen bzw. angeblich nicht vorhandenen Gegenstände des Mieters auf den Vermieter über. Dies stellte das Amtsgericht Schöneberg im August 2019 klar. Da mit einer solchen Räumung auch das Persönlichkeitsrecht eines betroffenen Mieters verletzt wird, kann der Vermieter auch zur Leistung eines Schmerzensgeldes verpflichtet werden.
Der Fall
Ein Mieter hatte seinen Vermieter auf Leistung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt. Der Vermieter hatte ursprünglich gegen den Mieter ein Versäumnisurteil auf Räumung der Mietwohnung erwirkt. Der Vermieter hatte nämlich gegenüber dem Mieter eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen und begründete diese mit einem angeblichen Stromdiebstahl vom Dachboden und der Lagerung von Hausrat und Müll/Unrat auf dem Dachboden. Gegen das Versäumnisurteil legte der Mieter keinen Einspruch ein. Als der Mieter nach einem zwischenzeitlichen Krankenhausaufenthalt entlassen wurde, konnte er die Wohnungstür seiner Mietwohnung nicht mehr öffnen. Das Wohnungstürschloss war ausgetauscht worden. Auf dem Klingelschild neben der Wohnungstür war ein anderer Name angebracht und die Wohnung offenbar an eine andere Person vermietet worden. Den ganzen Dezember übernachtete der Mieter deshalb in einem Hotel, wofür Kosten in Höhe von 742,49 € entstanden. Der Mieter forderte vom Vermieter Schadensersatz für seine nicht mehr vorhandenen und zerstörten Möbel. Ferner machte er die Hotelkosten geltend sowie Taxikosten in Höhe von 252,10 €, weil er sich nach einer Hüftoperation nur auf zwei Krücken fortbewegen konnte.
Der Mieter behauptete, es habe Wochen gedauert, bis seine Sachen erhalten habe, welche der Vermieter im Keller eingelagert hatte. Durch die Feuchtigkeit war der aufbewahrte Hausrat zerstört oder so stark beschädigt, dass er unbrauchbar war. Ein gebautes Regalsystem, ein Hochbett und die Zwischendecke aus der Küche waren zerstört. Die Anschaffungspreise beliefen sich für das Regalsystem auf 3.000,00 €, für das Hochbett auf 3.500,00 € und die Zwischendecke auf 1.200,00 €. Einige weitere Möbel im Wert von mehreren tausend Euro waren außerdem zerstört oder nicht mehr auffindbar.
Die Entscheidung des Gerichts
Das AG Schöneberg stellte im Anschluss an ein Urteil des Bundesgerichtshofs zu Gunsten des Mieters fest, dass der Vermieter wegen einer nicht durch einen Vollstreckungstitel gedeckten eigenmächtigen Inbesitznahme der Mietwohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen zum Schadensersatz verpflichtet war (BGH, Urteil v. 14.07.10, Az. VIII ZR 45/09). Die nicht durch ein Urteil gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme der Wohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen durch den Vermieter stellten eine verbotene Eigenmacht dar. Für den dem Mieter dadurch entstandene Schäden haftete der Vermieter gemäß § 231 BGB entsprechend einschlägiger Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil v. 14.07.10, Az. VIII ZR 45/09). Denn der Vermieter konnte nicht davon ausgehen, dass der Mieter seine Mietwohnung aufgegeben hatte. Nur weil der Mieter auf das Versäumnisurteil nicht reagiert hatte, bedeutete dies nicht, dass er die Wohnung nicht weiter nutzen wollte. Der Vermieter konnte auch deshalb nicht auf eine endgültige Besitzaufgabe schließen, nur weil der Mieter im Oktober 2017 ortsabwesend war. Der Mieter war im Krankenhaus und auch ohnehin nicht verpflichtet, sich ständig in der angemieteten Wohnung aufzuhalten. Trotz Ortsabwesenheit war das Besitzrecht des Mieters nicht entfallen.
Der vom Mieter geltend gemachte Schadensersatz war auch der Höhe nach gerechtfertigt. Von der Ersatzpflicht des Vermieters wurde insbesondere die eigenmächtige Entsorgung des Hausrats und der sonst in der Wohnung vorgefundenen Gegenstände erfasst. Denn den Vermieter traf mit seiner Inbesitznahme zugleich eine Obhutspflicht, welche eine Entsorgung ausschloss (BGH, Urteil v. 14.07.10, Az. VIII ZR 45/09). Einen Vermieter, der eine Mietwohnung ohne Vorliegen eines gerichtlichen Titels in verbotener Eigenmacht in Besitz nimmt, trifft für die darin befindlichen Gegenstände seines Mieters eine Obhutspflicht. Der Vermieter hätte deshalb dafür Sorge tragen müssen, dass hinsichtlich der von ihm in Besitz genommenen Gegenstände während der Dauer seiner Obhut und der anschließenden Einlagerung keine Beschädigungen oder Verluste eintreten. Er hätte, so das Gericht, auch ein Verzeichnis der Gegenstände aus der Wohnung aufstellen und deren Wert schätzen lassen müssen (BGH, Urteil v. 14.07.10, Az. VIII ZR 45/09).
Der Vermieter war somit verpflichtet dem Mieter den Wert der beschädigten oder entsorgten Einrichtungsgegenstände zu ersetzen. Außerdem musste der Vermieter dem Mieter die Hotelkosten in Höhe von 742,49 € erstatten, da der Mieter wegen der eigenmächtigen Inbesitznahme seiner Wohnung von Obdachlosigkeit bedroht war. Auch .Ersatz für die Taxifahrten in Höhe von 252,10 € schuldete der Vermieter wegen seiner verbotenen Eigenmacht. Darüber hinaus hat der Mieter einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 €. Mit der Räumung der Wohnung hatte der Vermieter nicht nur das Besitzrecht des Mieters, sondern auch dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt, weil er in rechtswidriger Weise in den höchstpersönlichen und besonders geschützten Lebensbereich des Mieters eingriff (AG Schöneberg, Urteil v. 14.08.19, Az. 6 C 276/18).
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