Überlassung einer Mietwohnung an dort lebende Familienmitglieder ist nicht „unbefugt“
Das Landgericht Berlin hat im Juli 2020 per Beschluss entschieden, dass es einen Vermieter nicht zur Kündigung seines Mieters berechtigt, wenn dieser die Mietwohnung komplett einem Familienangehörigen überlässt. Bisher war gerichtlich nicht entschieden worden, ob ein Mieter „unbefugt“ i.S.d. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB handelt, wenn er seine gesamte Mietwohnung einem, mit Genehmigung des Vermieters, aufgenommenen Familienmitglied überlässt. Das LG Berlin nimmt an, dass in einem solchen Fall eine Pflichtverletzung eines Mieters mangels hinreichend ins Gewicht fallender wirtschaftlicher oder sonstiger Nachteile des Vermieters nicht vorliegt.
Der Fall
Ein Mieter und sein Vermieter stritten über die Rechtmäßigkeit einer vom Vermieter ausgesprochenen Kündigung. Der Vermieter glaubte zur Kündigung berechtigt zu sein, weil der Mieter die Mietwohnung komplett seinem Bruder überlassen hatte. Er hatte den Bruder allerdings mit Kenntnis des Vermieters in die Mietwohnung aufgenommen. Der Mieter, der getrennt von seiner Ehefrau lebte, hatte sich dann später dazu entschieden wieder zu seiner Frau und seinen Kindern in das gemeinsame Haus zurückzukehren. Der Vermieter kündigte sodann das Mietverhältnis und klagte auf Räumung.
Die Entscheidung vor Gericht − Ohne Erfolg!
Das LG Berlin entschied zu Gunsten des Mieters und seines Bruders, dass die Kündigung das Mietverhältnis nicht beendet hatte, da sie weder als außerordentliche oder als ordentliche Kündigung wirksam war. Gemäß §§ 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB liegt ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung wegen unbefugter Gebrauchsüberlassung vor, wenn ein Mieter die Rechte seines Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mieträume unbefugt einem Dritten überlässt. Zwar hatte der Mieter die Mietwohnung seinem Bruder unbefugt überlassen, indem er im Jahr 2011 den Besitz daran komplett wieder aufgegeben hatte und zu seiner Ehefrau und seinen Kindern zurückzog. Bei dem Bruder des Mieters handelte es sich jedoch nicht um einen „Dritten“ i.S.d. §§ 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB. Eine Gebrauchsüberlassung an Dritte ist allenfalls dann „berechtigt“ und nicht „unbefugt“ i.S.d. §§ 540 Abs. 1, 543 Abs. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2, 553 Abs. 1 BGB, wenn der Mieter dem Dritten lediglich einen Teil des Wohnraums, nicht jedoch, wenn er ihm den gesamten Wohnraum überlässt (BGH, Urteil v. 11.06.14, Az. VIII ZR 349/13). Die Aufnahme des Bruders des Mieters in die Mietwohnung war jedoch – ebenso wie die Aufnahme anderer Familienmitglieder – privilegiert, da er kein „Dritter“ i.S.d. §§ 540 Abs. 1, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2, 553 Abs. 1 BGB war (so z. B. BGH, Urteil v. 12.06.13, Az. XII ZR 143/11). Die Besitzüberlassung an Familienmitglieder ist nicht „unbefugt“ i.S.d. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB (LG Berlin, Beschluss v. 28.07.20, Az. 67 S 299/19).
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