Trotz Trennung von Ehepartnern ist Eigenbedarfskündigung möglich
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Urteil Anfang September 2020 klargestellt, dass Ehepartner auch dann der selben Familie im Sinne des § 577 a Abs. 1a Satz 2 BGB angehören, wenn sie getrennt leben oder geschieden sind. Die dreijährige Sperrfrist des § 577 a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 BGB steht einer Kündigung nicht entgegen. Getrennt lebende Eheleute sind im maßgeblichen Zeitpunkt der Vollendung des Erwerbs von Mieträumen, mithin der Eintragung im Grundbuch, trotz ihrer räumlichen Trennung (noch) Angehörige derselben Familie.
Der Fall
Ein Mieter und seine Vermieter stritten sich über die Rechtmäßigkeit einer Eigenbedarfskündigung. Die Vermieter waren ein Ehepaar und wurden am 11. September 2015 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt waren sie noch verheiratet, lebten aber bereits seit 2013 getrennt. Die Ehe wurde am 1. Juli 2016 geschieden.
Mit Schreiben vom 26. Mai 2017 erklärten die Vermieter gegenüber dem Mieter die Kündigung des Mietverhältnisses zum 28. Februar 2018 mit der Begründung, die getrennt lebende Ehefrau benötige das Haus für sich. Sie wolle mit ihren beiden minderjährigen Kindern und ihrem neuen Lebensgefährten dort einziehen. Derzeit lebe sie mit ihren Kindern und ihrem Lebensgefährten zur Miete in einer Wohnung des Schwiegervaters und wolle aufgrund ihrer zwischenzeitlichen Scheidung aus der Immobilie ihres früheren Schwiegervaters in ihr Eigentum ziehen. Zudem würde sich durch den Umzug der Schulweg der beiden Kinder deutlich verkürzen, so dass diese den Schulweg zu Fuß zurücklegen könnten und sich die Vermieterin täglich eine Fahrstrecke von 12 km erspare. Der Mieter war der Ansicht, dass die Kündigung wegen der dreijährigen Sperrfrist des § 577 a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 BGB unwirksam war.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH bestätigte, dass die Eigenbedarfskündigung rechtmäßig war. Der Mieter war zur Räumung verpflichtet. Nach den für das Berufungsgericht bindenden Feststellungen § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bestand ein Eigenbedarfsinteresse der Vermieterin. Denn ihr Wunsch, die Immobilie selbst zu nutzen, beruhte deshalb auf vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil sich durch den Umzug der Schulweg der Kinder derart verkürzte, dass sie diesen selbst zu Fuß zurücklegen könnten. Nach § 577 a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB gilt die Kündigungsbeschränkung des § 577 a Abs. 1 BGB, wonach sich ein Erwerber, wenn an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden ist, erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 BGB (Tatbestände des Eigenbedarfs oder der wirtschaftlichen Verwertung) berufen kann.
Die dreijährige Sperrfrist des § 577 a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 BGB stand der Eigenbedarfskündigung nicht entgegen. Zwar war das vermietende Ehepaar erst am 11. September 2015 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden, so dass die Kündigung noch innerhalb von drei Jahren ab Erwerb erfolgt war. Als getrenntlebende Ehepartner waren sie aber im maßgeblichen Zeitpunkt der Vollendung des Erwerbs, mithin der Eintragung im Grundbuch, trotz ihrer räumlichen Trennung (noch) Angehörige derselben Familie. Zum einen waren sie trotz der Trennung durch die gemeinsamen Kinder miteinander verbunden. Zum anderen hat die Ehe trotz der Trennung noch bestanden. Ehepartner, auch getrennt lebende, gehörten stets „derselben Familie“ im Sinne von § 577 a Abs. 1a Satz 2 BGB an. Der Begriff entspricht dem der „Familienangehörigen” in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Eine durch Eheschließung begründete Familienangehörigkeit endet nicht mit der Trennung der Ehepartner, sondern erst mit dem Vollzug der Scheidung. Denn bei bestehender Ehe kann eine bloße Trennung jederzeit rückgängig gemacht werden.
§ 577 a Abs. 1a Satz 2 BGB setzt nicht voraus, dass die Erwerber, die zu derselben Familie gehören, den zur Eigennutzung erworbenen vermieteten Wohnraum auch gemeinsam nutzen möchten. Denn danach ist Anknüpfungspunkt allein der gemeinsame Erwerb, nicht eine beabsichtigte gemeinschaftliche Nutzung (BGH, Urteil v. 02.09.20, Az. VIII ZR 35/19).
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