BGH: Nur sozialüblichen Kinderlärm müssen Ihr Nachbarn hinnehmen!
Wenn Sie Kinder haben wird es auch bei Ihnen so sein: In der kalten Jahreszeit verlegen die Kinder ihre Spieltätigkeit vom Kinderspielplatz oder Bolzplatz nach drinnen. In Zeiten von Corona werden zusätzlich noch viele Schüler zu Hause unterrichtet oder Kindergartenkinder dort betreut. Mit anderen Worten: Vielfach sind Kinder den ganzen Tag zu Hause, so dass es dort durchaus lauter werden kann. Darüber freut sich nicht jeder Nachbar. Wenn Sie jetzt befürchten, dass Ihre Miteigentümer Sie wegen Ruhestörung verklagen, sollten Sie das folgende Urteil des BGH kennen (Urteil v. 22.08.17, Az. VIII ZR 226/17). Das Urteil ist zwar schon älteren Datums, gewinnt aber angesichts der Tatsache, dass Ihre Kinder sich wegen der Corona-Pandemie deutlich mehr in der Wohnung aufhalten als sonst, aktuelle Bedeutung für Sie.
Mieterin beschwerte sich über massive Lärmstörungen
Im entschiedenen Fall beschwerte sich die Mieterin einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus über erheblichen Kinderlärm aus der Wohnung über ihr. Sie führte mit Hilfe eines Lärmprotokolls an, dass es fast täglich, auch an Sonn- und Feiertagen sowie zu Ruhezeiten, zu massiven Lärmstörungen durch heftiges Stampfen, Springen, Poltern und durch Schreie und sonstige lautstarke und aggressive familiäre Auseinandersetzungen kam. Die Störungen traten insbesondere zwischen 6 und 8 Uhr sowie 17 und 20 Uhr auf. Die Mieterin klagte aufgrund dessen gegen die Vermieterin auf Beseitigung der Lärmstörung und auf Feststellung eines Mietminderungsrechts in Höhe von 50 %.
Nur übertriebener Kinderlärm ist untersagbar
In seinem Urteil wies der Bundesgerichtshof ausdrücklich darauf hin, dass in einem Mehrfamilienhaus üblicher Kinderlärm grundsätzlich als sozialadäquat hingenommen werden muss. Daher liegt bei Kinderlärm, der sich im Rahmen des Üblichen hält, kein Mietmangel vor (§ 536 BGB) und er muss auch nicht unterlasen werden.
Allerdings müssen die Hausbewohner nach Ansicht des BGH Kinderlärm aus Nachbarwohnungen nicht in jeglicher Form, Dauer und Intensität hinnehmen. Vielmehr sind auch die Belange und das Ruhebedürfnis der Nachbarn zu berücksichtigen. Der Fall wurde an die vorhergehende Instanz zurückverwiesen, um Art, Intensität, Frequenz und Dauer Geräuschentwicklung und Erschütterungen zu prüfen.
Fazit: Der BGH hat in seinem Urteil ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Kinderlärm grundsätzlich privilegiert und sozialadäquat ist. Daher können Ihre Miteigentümer gegen das laute Lachen Ihres Kindes oder Spielgeräusche Ihrer Kinder nichts unternehmen – auch wenn diese in der Mittagszeit auftreten. Ebenso ist es normal, dass Kleinkinder rennen und fest auftreten, auch wenn dies in der Wohnung darunter als Stampfen empfunden wird. Auch können sich Kleinkinder nicht differenziert äußern, sondern bedienen sich akustischer Äußerungen, die andere Personen als Schreien oder Brüllen wahrnehmen. All das gilt als sozialadäquat und kann von ihrem Nachbarn nicht beanstandet werden. Wenn aber Ihr Kind noch in den späten Abendstunden über Tische und Bänke springt oder mit lauten Gefährten durch die Wohnung fährt, ist die Grenze des Hinnehmbaren erreicht. Hier sind Sie als Erziehungsberechtigten verpflichtet, die Kinder zu einem rücksichtsvollen Verhalten bezüglich ihrer Bewegungen und akustischen Äußerungen anzuhalten. Wenn Sie darauf achten, dass Ihre Kinder das Maß des Hinnehmbaren nicht überschreiten, brauchen Sie gerichtliche Sanktionen nicht zu fürchten.
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