Keine Eigentümerversammlung im Vollmachtverfahren!
In den Zeiten der Corona-Pandemie stehen Abstands- und Hygienevorschriften im Vordergrund vieler Veranstaltungen. Auch auf Ihrer Eigentümerversammlung müssen selbstverständlich Abstands- und Hygienevorschriften eingehalten werden, um die Gesundheit aller Teilnehmer zu schützen. Wenn Ihr Verwalter aber Ihre Eigentümerversammlung im “Vollmachtverfahren” abhalten will, sein Büro für Publikumsverkehr geschlossen ist und Sie vom persönlichen Erscheinen Abstand nehmen sollen, stellt das faktisch eine Ausladung dar. Die auf einer solchen Versammlung gefassten Beschlüsse sind nichtig (AG Lemgo, Urteil vom 24.08.2020, Az. 16 C 10/20)
Wegen Corona-Krise sollten Eigentümer nicht persönlich erscheinen
Ein Wohnungseigentumsverwalter lud im Mai 2020 zur “Eigentümerversammlung im Vollmachtverfahren” in sein Büro ein. In dem Einladungsschreiben wurde darauf hingewiesen, dass wegen der Corona-Krise das Büro für den Publikumsverkehr geschlossen sei und Eigentümerversammlungen mit persönlicher Anwesenheit wegen der Kontaktsperre nicht stattfinden können. Die Wohnungseigentümer wurden aufgefordert, dem Verwalter Vollmacht zu erteilen und auf einem beigefügten Protokoll ihre Abstimmungswünsche anzukreuzen. Weiter heißt es in dem Einladungsschreiben:”Bitte erscheinen Sie nicht persönlich zur Eigentümerversammlung.“
In der Eigentümerversammlung am 21.05.2020 war ausschließlich der Verwalter anwesend. Einige Eigentümer hatten ihn bevollmächtigt und ihm ihre Abstimmungswünsche mitgeteilt. Dementsprechend wurden zu den Tagesordnungspunkten Beschlüsse gefasst. Hiermit waren einige Wohnungseigentümer nicht einverstanden. Sie hielten die Durchführung der Eigentümerversammlung für unzulässig.
Kernbereich der Eigentümerrechte wurde verletzt
Zu Recht, die auf der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse sind nichtig, da sie in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreifen. Zu dem Kernbereich des Wohnungseigentums gehört das Recht der Wohnungseigentümer, an der Eigentümerversammlung teilzunehmen. Dieses Recht wurde den Wohnungseigentümern durch die Form der Ladung letztlich verwehrt. Das Einladungsschreiben wies darauf hin, dass eine Eigentümerversammlung “im Vollmachtverfahren“ stattfinden solle, das Büro des Verwalters für Publikumsverkehr geschlossen sei und die Eigentümer nicht persönlich zur Eigentümerversammlung zu erscheinen sollten. Das kommt im Ergebnis einer “Ausladung“ der Eigentümer gleich. Die Wohnungseigentümer konnten diese Einladung nämlich nur so verstehen, dass ihnen die persönliche Teilnahme an der Eigentümerversammlung verwehrt wird.
Daher verletzte die Einladung den Kernbereich der Eigentümerrechte, nämlich das Recht auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung und Ausübung des Stimmrechts. Zwar konnten die Wohnungseigentümer ihr Stimmrecht schriftlich ausüben. Eine Auseinandersetzung und Diskussion über die verschiedenen Beschlussanträge konnte jedoch stattfinden. Genau dies stellt aber den Wesensinhalt einer Eigentümerversammlung als dem Willensbildungsorgan der Wohnungseigentümergemeinschaft dar.
Etwas anderes ergab sich auch nicht aus den damals geltenden Corona-bedingten Einschränkungen. Aufgrund der damals geltenden Corona-Schutzverordnung NRW war nämlich ein Treffen von maximal 10 Personen zulässig, so dass am 21.05.2020 eine Eigentümerversammlung unter Anwesenheit sämtlicher Wohnungseigentümer hätte stattfinden können. Nach alledem waren sämtliche in der Eigentümerversammlung vom 21.05.2020 unter Verstoß gegen das Teilnahmerecht der Wohnungseigentümer gefassten bzw. abgelehnten Beschlüsse nichtig.
Fazit: Auch in Zeiten der Corona-Pandemie sind Sie berechtigt, eine Eigentümerversammlung durchzuführen und zwar unter der persönlichen Anwesenheit aller Eigentümern. Für die Einhaltung der erforderlichen Abstands- und Hygienevorschriften hat der Verwalter zu sorgen. Er muss notfalls auch einen Raum finden, der groß genug ist, um allen Eigentümern unter Einhaltung der Abstandsregeln Platz zu bieten.
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