Fassadenanstrich – Art und Weise bestimmt Ihre Gemeinschaft
Früher oder später kommt auch Ihre Wohnanlage in die Jahre. Besonders die nach Norden ausgerichteten Fassadenteile sind starken Witterungseinflüssen ausgesetzt, was schnell zu einem Algenbefall führen kann. Dagegen hilft oft nur ein Anstrich mit einer Farbe mit toxischer Wirkung. Doch entspricht eine solche Beschlussfassung überhaupt ordnungsgemäßer Verwaltung? Immerhin könnte ein solcher Anstrich ja mit gesundheitlichen Risiken für die Bewohner verbunden sein. Hierzu hat das Amtsgericht Kassel entschieden: Einer Eigentümergemeinschaft steht bei der Beschlussfassung über die Durchführung von baulichen Maßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum grundsätzlich ein Entscheidungsspielraum zu. Dieser betrifft die Art und Weise der Durchführung der Maßnahme. Eine Überschreitung dieses Spielraumes liegt nicht bereits dann vor, wenn es sich bei dem Anstrichmaterial für die Fassade um ein solches mit toxischer Wirkung für Lebewesen handelt (AG Kassel, Urteil v. 28.01.21, Az. 800 C 2510/20).
Beschluss: Fassade sollte gegen Algenbefall behandelt werden
Im entschiedenen Fall hatte eine Eigentümergemeinschaft den Beschluss gefasst, die mit Algen befallene Hausfassade streichen zu lassen. Für den Anstrich sollte eine Farbe mit toxischer Wirkung verwendet werden, durch die Befallspuren beseitigt und ein Neubefall verhindert oder zumindest erschwert werden sollte.
Ein Wohnungseigentümer war mit dieser Beschlussfassung nicht einverstanden. Er war der Ansicht, der Beschluss sei fehlerhaft, weil es sich bei dem Anstrich um ein Material handele, das aufgrund seiner toxischen Eigenschaften Konsequenzen für die Gesundheit der Bewohner des Hauses haben könne. Außerdem sei das Mittel auf europäischer Ebene noch nicht zugelassen. Der Eigentümer ging mit der Anfechtungsklage gegen den Beschluss vor.
Toxische Wirkung des Materials war kein unzumutbarer Nachteil
Die Klage blieb ohne Erfolg, der Beschluss entsprach ordnungsgemäßer Verwaltung. Das Gericht wies darauf hin, dass eine Eigentümergemeinschaft bei der Beschlussfassung über die Durchführung von baulichen Maßnahmen am Gemeinschafseigentum grundsätzlich entscheiden kann, in welcher Art und Weise die Maßnahme durchgeführt werden soll. Innerhalb ihres Entscheidungsspielraums darf die Gemeinschaft alle Maßnahmen beschließen, die nicht mit einem unzumutbaren Nachteil für die einzelnen Eigentümer verbunden sind.
In der toxische Wirkung des Anstrichmaterials sah das Gericht keinen solchen unzumutbaren Nachteil. Sinn und Zweck der Bearbeitung der Fassade war es ja gerade den Algenbefall zu beseitigen und erneuten Befall zu verhindern oder wenigstens zu erschweren. Dafür ist Anwendung künstlich hergestellter Stoffe grundsätzlich geeignet. Erst wenn eine Beeinträchtigung der Gesundheit von Bewohnern des Gebäudes ernsthaft zu befürchten ist, würde der Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen. Solange derartige gesundheitlichen Risiken jedoch als noch hinnehmbar einzuordnen sind, ist die Auswahl eines entsprechenden Materials noch mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung vereinbar.
Auch in dem Umstand, dass sich das Material in einem noch nicht abgeschlossenen Registrierungsvorgang bei einer europäischen Behörde befindet, führte nicht dazu, dass der Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung widersprach. Daraus lässt sich nämlich nach Auffassung des Gerichts nicht schließen, dass es sich um ein nicht zugelassenes Material handelt.
Fazit: Sie sehen, bei der Beschlussfassung über bauliche Maßnahmen haben Sie einen weiten Entscheidungsspielraum. Sie können sogar die Verwendung giftiger Materialien beschließen, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt. Erst wenn die Verwendung solcher Materialien eine ernsthafte Gesundheitsgefährdung der Hausbewohner mit sich bringen würde, ist Ihr Beschluss anfechtbar.
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