Kündigung eines Mietvertrages verletzt Menschenwürde eines hochbetagten Mieters
Die Beendigung eines Mietverhältnisses durch eine Kündigung des Vermieters kann die durch Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde eines Mieters verletzen. Dies setzt allerdings u. a. voraus, dass der Mieter ein hohes Lebensalter erreicht hat. So urteilte das Landgericht Berlin im Mai 2021 und stellte klar: Wird ein Mieter in seiner Menschenwürde verletzt, kann eine Interessenabwägung gemäß § 574 Abs. 1 BGB zu Gunsten des Vermieters ergeben, dass er in seiner Mietwohnung verbleiben darf.
Der Fall
Eine Mieterin und ihr Vermieter stritten sich über die Rechtmäßigkeit einer vom Vermieter ausgesprochenen Kündigungen. Die mittlerweile 89-jährige Mieterin sollte die bereits im Jahr 1997 angemietete Wohnung räumen. Der Vermieter hatte mehrfach die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf erklärt. Die Mieterin wollte die Wohnung jedoch nicht räumen, da sie in der Umgebung „tief verwurzelt“ sei. Der Vermieter reichte deshalb eine Räumungsklage ein.
Die Entscheidung vor Gericht – Ohne Erfolg!
Nach Ansicht des LG Berlin hatten die Kündigungen des Vermieters das Mietverhältnis nicht wirksam beendet, weil zu Gunsten der Mieterin eine Härte vorlag. Die Härte war dadurch bedingt, dass die Mieterin ein sehr hohen Lebensalter erreicht hatte und wegen der langen Dauer des Mietverhältnisses in der Umgebung der Mietwohnung tief verwurzelt war.
Zwar hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Rechtsstreit eines gebrechlichen 87-jährigen Mieters gegen eine Räumungsklage seines Vermieters, trotz langjährigen Aufenthalts des Mieters in der Mietwohnung die Annahme einer Härte gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen hohen Alters oder Verwurzelung nicht geprüft. Denn der BGH sah seinerzeit lediglich negative gesundheitliche Folgen eines Verlusts einer Mietwohnung als erheblich an (vgl. BGH, Urteil v. 15.03.17, Az. VIII ZR 270/15). Das hohe Alter eines Mieters und seine Verwurzelung waren für den BGH lediglich im Rahmen der Interessenabwägung der Rechte von Mieter und Vermieter und einer abschließenden Gesamtwürdigung relevant. Neuerdings ist aber auch das höchste deutsche Zivilgericht der Ansicht, dass das hohe Alter eines Mieters und seine langjährige Verwurzelung am Ort der Mietwohnung geeignet sein können, eine Härte zu begründen (vgl. BGH, Urteil v. 03.02.21, Az. VIII ZR 68/19). Demgemäß bestätigte das LG Berlin im hier besprochenen Rechtsstreit, dass das hohe Alter und die Verwurzelung der Mieterin im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 574 Abs. 1 BGB zu Gunsten der Mieterin die Unwirksamkeit der Kündigungen ergab. Die Mieterin musste trotz Eigenbedarf des Vermieters ihre Mietwohnung nicht räumen (LG Berlin, Urteil v. 25.05.21, Az. 67 S 345/18).
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