BGH entscheidet über die Geltendmachung von Mängelansprüchen durch die Gemeinschaft
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Eigentumswohnung vom Bauträger gekauft, an der Sie Mängel feststellen. Haben andere frischgebackene Wohnungseigentümer dieselben Probleme, wäre es das Einfachste für Sie, wenn Ihre Eigentümergemeinschaft die Sache an sich zieht und Gewährleistungsrechte für Sie und Ihre ebenfalls betroffenen Miteigentümer geltend macht. Allerdings stellt sich für Sie die Frage, ob das nach der Reformierung des Wohnungseigentumsgesetzes zum 01.12.20 überhaupt noch möglich ist. Immerhin wurde dort die Regelung über die Vergemeinschaftung von Ansprüchen durch Beschluss ersatzlos gestrichen. Diese Frage hat der BGH in einem aktuellen Urteil beantwortet(Urteil v. 11.11.22, Az. V ZR 213/21).
Gemeinschaft beschloss Geltendmachung von Mängelansprüchen
Im entschiedenen Fall ging es um eine in Eigentumseinheiten aufgeteilte Wohnanlage. Nachdem mit dem Verkauf der Wohnungen bereits begonnen worden war, entschloss man sich, eine Tiefgarage einzubauen. Hierzu wurde eine Bodenuntersuchung durchgeführt, bei der sich herausstellte, dass der Boden mit Schadstoffen belastet war. Daraufhin wurde der Verkauf gestoppt und die Stadt informiert. Nach behördlich veranlassten weiteren Untersuchungen erfolgte die behördliche Auflage, den Boden in einem Teilbereich bis zu einer Tiefe von 30 cm auszutauschen. Auf einen Austausch des tiefer liegenden Bodens könne wegen der geplanten Errichtung der Tiefgarage verzichtet werden. Maßnahmen im südlichen Außenbereich seien trotz der festgestellten Belastungen wegen einer möglichen Einzäunung der betroffenen Bereiche nicht erforderlich.
Der Verkäufer der Wohnungen setze deren Verkauf fort. In den Kaufverträgen wies er auf eine allein den Innenhof betreffende Altlastenauskunft der Stadt München hin und verpflichtete sich zur Durchführung der für den Innenhof vorgeschlagenen Sicherungsmaßnahmen. Tatsächlich tauschte der Verkäufer den Oberboden des Innenhofes aus, allerdings nur in einer Tiefe von 20 cm. Der Bau der Tiefgarage erfolgte dann doch nicht. Auf ihrer Eigentümerversammlung beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich die gerichtliche Geltendmachung möglicher Ansprüche wegen Altlasten im Innenhof und im südlichen Außenbereich. Der BGH hatte unter anderem darüber zu entscheiden, ob eine solche Vergemeinschaftung von Mängelansprüchen überhaupt möglich ist.
Gemeinschaft kann Mängelansprüche nach wie vor an sich ziehen
Der BGH entschied zugunsten der Gemeinschaft, die Vergemeinschaftung von Mängelansprüchen per gemeinschaftlichen Beschluss ist auch nach der Reformierung des Wohnungseigentumsgesetzes möglich. Auch wenn § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG a.F. ersatzlos gestrichen worden ist, ergibt sich die entsprechend Beschlusskompetenz aus der Verwaltungsbefugnis für das gemeinschaftliche Eigentum sowie der im Wohnungseigentumsgesetz geregelten Pflicht zu dessen Erhaltung.
In seinem Urteil berief sich der BGH auch auf die Gesetzesbegründung, nach der die bisherige Rechtsprechung des BGH zum Bauträgerrecht, die eine Vergemeinschaftung von werkvertraglichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen erlaubte, fortgelten soll. Entsprechendes müsse für die Vergemeinschaftung von kaufrechtlichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen gelten. Nur diese Sichtweise trage der nach der Reform unveränderten Interessenlage der Wohnungseigentümer genügend Rechnung.
Fazit: Auch wenn es nicht mehr explizit im Wohnungseigentumsgesetz zu finden ist, Ihre Wohnungseigentümergemeinschaft kann bei Mängeln weiterhin vor Gericht ziehen. Diese für die Praxis äußerst relevante Frage hat der BGH nun beantwortet.
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