Darf der Baukran des Nachbarn einfach über unser Grundstück schwenken?
Wird auf dem Nachbargrundstück gebaut, ist das ärgerlich für Sie, denn Bauarbeiten größeren Umfangs sind für die Nachbarn mit Lärm und Staub verbunden. Wenn dann aber auch noch ein großer Kran über Ihr Grundstück schwenkt, wird das der eine oder andere von Ihnen als unangenehm empfinden. Sicher werden Sie sich dann fragen, ob das so ohne weiteres zulässig ist. Diese Frage hat das Oberlandesgericht Stuttgart in einem aktuellen Urteil beantwortet (Urteil v. 01.08.22, Az. 4 U 74/22).
Kran schwenkte unangekündigt über das Nachbargrundstück
Im entschiedenen Fall ging es um zwei benachbarte Grundstücke. Auf dem einen Grundstück wurde die bisherige Bebauung abgerissen und stattdessen zwei Doppelhäuser mit vier Garagen errichtet. An der Grundstücksgrenze wurde für diese Bauarbeiten ein Turmdrehkran aufgestellt. Der Kran war 18 Meter hoch und hatte einen 28 Meter langen Ausleger. Der Nachbar erhielt weder eine Information über das Aufstellen des Krans noch wurde er gefragt, ob der Kran über sein Grundstück schwenken dürfe.
Im Frühjahr 2022 schwenkte der Kran immer wieder über das Grundstück des Nachbarn, hierbei transportierte er teilweise auch schwere Betonteile am Haken. Als der ein durch den Kran transportiertes Betonfertigungsteil an der die Grundstücke versorgende Stromleitung hängen blieb, reichte es dem Nachbarn. Der Zwischenfall erschütterte das Dachgeschoss seines Hauses und er fürchtete um seine Sicherheit während der Bauarbeiten. Daher beantragte er eine einstweilige Verfügung, mit dem, Ziel zu verhindern, dass der Kran in den Luftraum des Nachbargrundstücks eindringt.
Zustimmung zum Überschwenken laut Nachbarschaftsgesetz nötig
Die Klage hatte erfolgt, der Kran durfte nicht in den Luftraum des Nachbarn einschwenken – und zwar sowohl mit als auch ohne Last, sowie für gesteuerte und selbstständige Bewegungen des Krans im Wind. Die Betreiber mussten sicherstellen, dass sich der Kran nicht über das Nachbargrundstück bewegt. Sollte es dennoch zu einem Überschwenken kommen, drohte das Gericht für jeden Einzelfall ein Ordnungsgeld an. Daran änderte auch das Hammerschlag- und Leitrecht nichts.
Die Bauherren hatten nämlich gegen das Nachbarrechtsgesetz des Landes verstoßen, indem sie dem Nachbarn das Überschwenken durch den Kran nicht zwei Wochen vorher angekündigt hatten. Die Ankündigungspflicht besteht sowohl für Schwenkbewegungen mit als auch ohne Lasten. Durch die Anzeigepflicht erhält der Nachbar die Möglichkeit, dem Überschwenken des Krans zu wiedersprechen. In diesem Fall hätte der Bauherr das Überschwenken des Krans im Klageweg durchsetzen müssen.
Fazit: In vielen Nachbarschaftsgesetzen der Bundesländer ist das so genannte Hammerschlags- und Leitrecht geregelt. Dieses erlaubt es dem bauenden Nachbarn Ihr Grundstück zwecks Ausführung der Bauarbeiten zu betreten und auch es mit einem Kran zu überschwenken. Allerdings muss der Bauherr Ihnen die Inanspruchnahme Ihres Grundstücks rechtzeitig anzeigen. Ohne eine solche Anzeige können Sie das Unterlassen der Nutzung Ihres Grundstücks, hier das Überschwenken durch den Kran, verlangen. Wird also auf dem Nachbargrundstück gebaut, prüfen Sie in dem Nachbarschaftsgesetz Ihres Bundeslandes, ob dort ein Hammerschlag- und Leitrecht geregelt ist, das Ihrem baufreudigen Nachbarn eine Anzeigepflicht auflegt.
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