Eigenbedarf – Im Zweifel entscheidet jetzt der Sachverständige
Wenn Sie Ihre Eigentumswohnung vermietet haben, kann es sein, dass Sie diese irgendwann für sich selbst benötigen: Die Kinder sind aus dem Haus und Sie wollen sich verkleinern, Ihre Tochter, die jetzt vor Ort studiert, soll in der Wohnung wohnen oder Sie planen die Wohnung selbst als Zweitwohnung zu nutzen. In solchen Fällen sind Sie zur Eigenbedarfskündigung berechtigt. Doch was, wenn Ihr Mieter alt und vielleicht auch krankt ist? Kann er das Ihrem Eigenbedarf entgegensetzen? In 2 aktuellen Fällen hat der BGH entschieden, wie zukünftig mit Härtefällen bei der Eigenbedarfskündigung umzugehen ist (Urteile v. 22.05.2019, Az. VIII ZR 167/17 und VIII ZR 180/18).
2 vergleichbare Fälle: Härtefall gegen Eigenbedarf
Der BGH hatte über zwei Fäll von Eigenbedarfskündigungen zu entscheiden, in denen die Mieter den Härteeinwand gegen die Kündigungen erhoben hatten. Im ersten Fall hatte ein Vermieter das Mietverhältnis über eine Dreizimmerwohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt. Der geltend gemachte Eigenbedarf war berechtigt, da der Vermieter mit seiner Ehefrau und zwei kleinen Kindern zur Miete in einer Zweizimmerwohnung lebte. Die Mieterin hatte jedoch den Härteeinwand gegen die Eigenbedarfskündigung erhoben. Das Berufungsgericht hatte wegen des Alters der 82-jährigen Mieterin, deren Demenzerkrankung und des seit 1974 bestehenden Mietverhältnisses einen Härtefall bejaht.
Im zweiten Fall ging es ebenfalls um eine Eigenbedarfskündigung, der die Mieter widersprochen hatten. Sie hielten einen Umzug für nicht zumutbar, da eine Mieterin unter Parkinson, Depressionen sowie chronischen Wirbelsäulenbeschwerden leide und ein weiterer Bewohner Pflegstufe 2 habe und alkoholkrant sein. Die Krankheitsbilder wurden durch ärztliche Atteste belegt. Der BGH hatte über und das Vorliegen eines Härtefalls und damit über die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigungen zu entscheiden.
Gesundheitsverschlechterung: Gerichtliches Gutachten ist ein Muss
Der BGH hielt beide Berufungsentscheidungen für zu oberflächlich und verwies die Fälle zur erneuten Entscheidung, vor allem über das Vorliegen eines Härtefalls an die Instanzengerichte zurück. Da auf Seiten des Vermieters und der Mieter grundrechtliche Geschützte Belange (Eigentum und Gesundheit) betroffen sind, sind eine umfassende Sachverhaltsaufklärung und eine besonders sorgfältige Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich.
Der BGH wies ausdrücklich darauf hin, dass es keinen allgemeinen Fallgruppen gibt, in denen das Interesse einer Partei generell überwiegt. Daher spricht ein bestimmtes Alter des Mieters oder eine bestimmte Mietdauer nicht generell gegen eine Eigenbedarfskündigung. Vielmehr muss in jedem Einzelfall geprüft werden, welche Auswirkungen diese Faktoren verbunden mit dem erzwungenen Umzug haben. Hierzu erstellt der BGH den folgenden Grundsatz: Legt der Mieter ein ärztliches Attest vor, aus dem sich die Gefahr einer Gesundheitsverschlechterung bei einem Umzug ergibt, muss das Gericht im Regelfall ein gerichtliches Sachverständigengutachten zur Konkretisierung einholen. Denn nur ein Fachgutachter kann die Erkrankungen und Umzugsfolgen konkret genug klären und gleichzeitig begleitende ärztliche/therapeutische Maßnahmen zur Minderung des Risikos vorschlagen. Nur auf dieser Basis kann das Gericht entscheiden, ob das Risiko einer erheblichen Gesundheitsverschlechterung schwerer wiegt als das Eigennutzungsinteresse des Vermieters.
Fazit: Möchten Sie ihre Eigentumswohnung wieder selbst beziehen, kann Ihr Mieter sein hohes Alter und gesundheitliche Gründe nicht ohne weiteres gegenüber Ihrer Eigenbedarfskündigung als Härteeinwand geltend machen. Das ist aber nicht unbedingt vorteilhaft für Sie. Kommt es nämlich zu einem gerichtlichen Verfahren, müsse Sie sich viel Zeit nehmen. Denn die Gerichte müssen die Interessen beider Parteien noch sorgfältiger – im Zweifel durch ein Sachverständigengutachten – prüfen, was das Verfahren zu Ihren Lasten verzögert. Lässt sich Ihr Eigenbedarf bei der Vermietung Ihrer Eigentumswohnung bereits absehen, schließen Sie besser einen befristeten Mietvertrag mit dem Befristungsgrund “Eigenbedarf” ab. Dann ersparen Sie sich ein langwieriges Verfahren, denn hier steht Ihrem Mieter die Einwendung von Härtegründen nicht zu.
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