Familienheim geerbt, wegen Krankheit vorzeitig ausgezogen – Erbschaftssteuer???
Haben Sie eine Immobilie geerbt, zahlen Sie dafür normalerweise Erbschaftssteuer. Wenn Sie aber selbst in die Wohnung einziehen und dort mindestens 10 Jahre wohnen bleiben, werden Sie von der Pflicht zur Zahlung der Erbschaftssteuer befreit. Doch was passiert, wenn Sie die Immobilie schon vorher aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bewohnen können? Bleibt es dann bei Ihrer Befreiung von der Erbschaftssteuer? Ja, hat der Bundesfinanzhof entschieden. Wer schon vor dem Ablauf von 10 Jahren sein geerbtes Familienheim aus zwingenden Gründen nicht mehr selbst nutzen kann, der muss nachträglich keine Erbschaftsteuer zahlen. Dabei ist auch die Unzumutbarkeit der Nutzung aus gesundheitlichen Gründen ein zwingender Grund für einen Auszug (Urteil v. 01.12.21, Az. II R 18/20).
Auszug nach 7 Jahren – Finanzamt verlangte Erbschaftssteuer
Im entschiedenen Fall ging es um die ehemalige Eigentümerin eines Einfamilienhauses, die diese Immobilie 1951 von Ihrem Vater geerbt hatte und sofort dort eingezogen war. Nach 7Jahren musste sie dann aber ausziehen. Wegen mehrerer Bandscheibenvorfälle und eines inoperablen Hüftleidens konnte sie sich zuletzt nicht mehr ohne fremde Hilfe in ihrem Haus bewegen. Zudem war das alte Haus wegen zahlreicher baulicher Mängel zuletzt kaum noch bewohnbar gewesen.
Die Eigentümerin zog in eine gemietete Erdgeschosswohnung in der Nachbarschaft. Einen Monat später ließ sie ihr Erbstück wegen Baufälligkeit abreißen. Als das Finanzamt von der neuen Wohnadresse der ehemaligen Eigentümerin erfuhr, veranlagte es sie zur Erbschaftsteuer mit der Begründung, sie habe ja keine 10 Jahre in der geerbten Immobilie gewohnt. Hiergegen setzte sich die ehemalige Eigentümerin zur Wehr und ging bis zum Bundesfinanzhof.
Krankheit kann zwingend an der Selbstnutzung hindern
Der Bundesfinanzhof entschied zugunsten der ehemaligen Eigentümerin. Wer aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung des geerbten Familienheims gehindert wird, muss auch bei einem Auszug vor Ablauf der Zehnjahresfrist keine Erbschaftsteuer zahlen. Als zwingender Grund gilt nicht nur die Unmöglichkeit des Wohnens in dem Objekt, sondern auch die Unzumutbarkeit. Die Unwirtschaftlichkeit einer Sanierung befreie dagegen nicht von der Erbschaftssteuer.
Wenn der Erbe aus gesundheitlichen Gründen so erhebliche Hilfe für ein weiteres Leben in dem Objekt benötigt, dass nicht mehr von einer eigenständigen Haushaltsführung gesprochen werden kann, ist die Grenze der Zumutbarkeit überschritten. Die obersten Finanzrichter verwiesen den Fall an das zuständige Finanzgericht zurück: Es muss jetzt prüfen, wie stark die gesundheitlichen Einschränkungen der ehemaligen Eigentümerin wirklich sind. Stellen sie sich als so erheblich dar, wie die ehemalige Eigentümerin behauptet, muss sie keine Erbschaftsteuer zahlen.
Fazit: Sie sehen, wenn Sie eine Immobilie erben und dort nicht die vorgeschriebenen 10 Jahre wohnen können, muss das nicht zwingend heißen, dass Sie nun doch Erbschaftssteuer zahlen müssen. Entscheidend ist, ob ein zwingender Grund vorliegt, der Sie daran hindert, die Immobilie selbst zu bewohnen. Ein solcher ist auch gegeben, wenn Sie die Immobilie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bewohnen könne. Das ist aber erst dann der Fall, wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen so erhebliche Hilfe für ein weiteres Leben in dem Objekt benötigen, dass nicht mehr von einer eigenständigen Haushaltsführung gesprochen werden kann.
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